Das kleine Dorf im Vogtland hat täglich mehr Gäste zu Besuch als es Einwohner hat. Denn hier gibt es ein bewegendes Stück deutsch-deutscher Geschichte zu bestaunen.
Durch den Ort mit seinen 50 Einwohnern führt ein kleines Bächlein. Der Tannbach. Und dieses ist seit jeher eine natürliche Grenze. Mal zwischen der Markgrafschaft Bayreuth und dem Fürstentum der Reußen, mal zwischen Bayern und Thüringen und 40 Jahre lang zwischen Deutschland und der DDR. Inklusive 29 Jahren Betonbarriere in Form der Mauer.
Anfangs lebte es sich in dem kleinen Grenzdorf noch relativ normal. Doch mit der sich zuspitzenden Lage in den Fünfziger und Sechziger Jahren und dem Mauerbau wurde das kleine Dorf entzweit. Nachbarn und Freunde, ja sogar Verwandte wurden durch den antifaschistischen Schutzwall voneinander getrennt. Eine Kommunikation vom Ostteil zum Westteil wurde vehement unterbunden und war verboten. Die Bürger sahen sich zwar durften aber weder miteinander reden, noch durften sie sich verständigen. Ignorieren und wegschauen stand an der Tagesordnung.
Umso größer war die Freude als am 9. Dezember 1989 im Dorf der Vorhang bzw. die Mauer fiel und ein Durchbruch die lange getrennten Freunde und Verwandten wieder vereinte. Im Gegensatz zu Berlin und anderenorts existierte hier kein Grenzübergang, sodass es hier einen Monat länger dauerte, bis endlich wieder zusammenwuchs, was zusammengehörte und die Mödlareuther nicht den Umweg über den nahegelegenen Grenzübergang gegangen werden musste, sondern ein Fußgängergrenzübergang in Mödlareuth entstand.
Folglich spielten sich auch hier ergreifende Szenen ab, die noch heute für den ein oder anderen Gänsehautmoment sorgen.
Das Deutsch-Deutsche Museum in Mödlareuth
Von der unfassbaren Teilung des kleinen Dorfs kannst du dich noch heute überzeugen. Im Deutsch-Deutschen Museum Mödlareuth wird die Wendegeschichte und Grenzgeschichte des kleinen Orts aufgearbeitet und vorgestellt. Und das zum Anfassen. Das Freilichtmuseum besteht aus 4 Komplexen und zahlreichen Exponanten im Dorf.
Der Kinosaal
Im Kinosaal startet der Rundgang durch das Dorf. Nachdem du eine Eintrittskarte gekauft hast, erfährst du hier alle halbe Stunde in einer 20minütigen Filmpräsentation vieles über die Geschichte des geteilten Dorfs und die ersten Schritte zur Wiedervereinigung.
Das Museum
Im gleichen Gebäude oberhalb des Kinos befindet sich eine Ausstellung mit Modellen der innerdeutschen Grenze, mit zahlreichen Exponaten der DDR-Zeit und jeder Menge Infotafeln über die Geschichte der DDR, Fluchtversuche und zur friedlichen Revolution 1989.
Die Fahrzeughalle
Schräg gegenüber der Museumsscheune steht eine Fahrzeughalle mit über 30 (Grenz-) Fahrzeugen der DDR-Zeit. Neben Zivilfahrzeugen findest du hier einen Helikopter, zahlreiche NVA-Fahrzeuge, aber auch Streifenwagen der BRD aus vergangenen Zeiten.
Die Maueranlage
Der für mich interessanteste Teil der Ausstellung ist das Freilichtareal. Es ist auch das erste, dass dir in Mödlareuth ins Auge springen wird: ein Grenzüberwachungsturm sowie ein Stück weiß strahlende Mauer. Dieser Komplex des Museums ist der wohl wichtigste und interessanteste Part des Ortes. Die original erhaltenen Reste der Grenzanlage sind ein beeindruckend, beklemmendes Stück Geschichte. Mit allen Raffinessen gefeilt, wird die Anlage samt Zaun, Graben, Beobachtungsturm und Agententor, sowie vielen weiteren Grenzkontroll- und Absperr-Raffiniessen entlang des Todesstreifen präsentiert. Unüberwindbar steht die Grenzanlage hier und schüchtert jeden Besucher ein. Mit einer Höhe von 3.60m ist an Rüberklettern nicht zu denken. Wenn man denn bis dahin überhaupt gekommen wäre. Denn die unter Spannung stehenden Stacheldrahtzäune als erster Vorbote der Barriere haben im Fall einer Kontaktauslösung Alarm gegeben. Gespickt war die Grenze zusätzlich mit Türmen zur Beobachtung, Bunker zur Absicherung und in unübersichtlichen Gebieten sorgten Wachhunde für die notwendige Einschüchterung.
Im Repertoire der Grenzabsicherung stand den Grenzsoldaten noch mehr Einschüchterndes zur Verfügung:
- Ein Kolonnenweg, ein 6-Meter breiter Streifen, wurde tagtäglich beackert, um etwaige Fussspuren von Fluchtversuchenden erkennen zu können
- einige Bereiche der Grenzanlage waren vermint, damit man sich nicht allzu sicher sein konnte, ohne weiteres fliehen zu können
- der Schießbefehl an der Grenze galt als zusätzliches Mittel der Einschüchterung und Fluchtverhinderung
Für mich steht fest: Auf diesem Weg zu flüchten, kommt einem Himmelfahrtskommando gleich. Derart ausgeklügelte Barrieren und Hindernisse machten eine Flucht beinahe unmöglich. Mein großer Respekt gilt all denen, die dennoch die Strapazen und Gefahren auf sich genommen haben. Sei es mittels Tunneln, schwimmend über die Elbe an der Grenze zu Niedersachsen, per selbstgebautem Heißluftballon oder wie auch immer. Unverstellbar für mich als „Nichtmal-Jungpionier“, wie sich ein Staat derartiges hat einfallen lassen, um seine Bevölkerung zu kontrollieren und an der Flucht zu hindern.
Der Geschichtslehrpfad
Ergänzend zu den Museumsanlagen existiert noch ein 4km langer Geschichtslehrpfad, der insbesondere die Ausstellung im Freigelände ergänzt und zusätzliches Wissen anschaulich vermittelt.
Mödlareuth heute
Grüß Gott und Guten Tag! Noch heute begrüßt man sich in den beiden Hälften des Dorfes unterschiedlich. Auch geht man getrennt wählen, in getrennte Schulen (hat dementsprechend unterschiedlich Ferien) und besitzt zwei Postleitzahlen und Telefonvorwahlen.
Mödlareuth in der öffentlichen Wahrnehmung
Klein-Berlin wurde es in den 60er und 70er Jahren getauft und die Miniserie „Sedwitz“ in der ARD hat sich offensichtlich von dem kleinen Dorf an der bayrisch-thüringischen Grenze etwas inspirieren lassen. Auch die dreiteilige ZDF-Serie Tannbach – Schicksal eines Dorfes bezieht sich unschwer erkennbar auf das entzweite Dorf Mödlareuth.
Fazit – Bewegende Geschichte eines geteilten Dorfs
So unfassbar es klingen mag, eine Mauer durch ein 50-Seelendorf zu bauen, so ergreifend sind die Geschichten rund um die Wiedervereinigung hier und andernorts. Nur wenige Kilometer von der sächsisch-thüringischen Grenze entfernt, tauchst du hier in eine mittlerweile vollkommen fremde Welt ein und erlebst die innerdeutsche Teilung nochmal hautnah. Gänsehautmomente inklusive. Für Geschichtsinteressierte ein Muss! Weitere Informationen zum Museum findest du auf der Museums-Webseite.
3 Antworten
Mir ging der Besuch des Museums sehr nahe. Obwohl ich erst 57 Jahre alt bin, haben mich die Gefühle überwältigt. Ich bin gebürtig aus Wernigerode, also ganz in der Nähe der ehemaligen Grenze. Ich musste an meine Eltern und Großeltern denken. Zeigt der Jugend, wie es mal war!
Es lohnt sich, die erkämpfte Freiheit zu bewahren.
Danke.
Definitiv. Freiheit, eines unserer höchsten Güter. Selbst mir stockt der Atem, wenn ich die Bilder der Prager Botschaft anno 1989 sehe oder durch Mödlareuth stapfe. Und das, obwohl ich 1989 gerade einmal 5 Jahre alt war.
Es macht mich sehr emotional und traurig zu sehen, wie dieses Volk und die Völker ihrer Freiheit beraubt werden. Vielen Dank für das Teilen der Geschichte. Ich bin Argentinier und reise häufig nach Deutschland. Danke